Original Einkaufsziel
Das Quartier
Lageplan
Termine
Home
Das Quartier in Wort und Bild   Suchen Webcam am Kirchplatz

Ein Besuch im Magniviertel

Peter Sierigk/Karla Götz: Braunschweig - Löwenstadt zwischen Harz und Heide

Die Stadt in der Stadt: Ein Besuch im Magniviertel

Im Schatten eines großen modernen Kaufhauses duckt sich die kleine Siedlung aus dem 15. Jahrhundert. Urige Kneipen, schöne Geschäfte mit Designerprodukten, Boulespieler stoppen schnelle Schritte. Nobel wirkt das kurz vor dem Ersten Weltkrieg errichtete und in unseren Tagen liebevoll restaurierte Volksfreundehaus, in dem eine sozialdemokratische Druckerei, Partei- und Gewerkschaftsbüros untergebracht waren. Im Volksmund wird das Gebäude "Rotes Schloß" genannt.

The town within the town: a visit in the Magni-quarter. Little pubs and designer boutiques from the 15th century stands in the shadow of a modern department store. The pre-World War One, recently restored "Volksfreundehaus", nicknamed "Red Castle" which houses political and union offices.

 

Rotes Schloß
Am Magnitore

Hinein mit einem großen Schritt ins späte Mittelalter. Das Magniviertel hinter Löwenwall, Städtischem Museum und Stadtarchiv gelegen, erlaubt einen Eindruck, wie eine Handwerkersiedlung zwischen 15. und 17. Jahrhundert einmal ausgesehen haben mag. Bucklige kleine Häuschen und stattlich protzige im Fachwerkstil sind hier zu sehen. Das älteste ist das Bürgermeisterhaus von 1490. Am Magnitor 1, hinter der Kirche kann man ein schattiges Halbrund mit schönen Fassaden abschreiten.

Hier und am Burgplatz (Huneborstelsches und Veltheimsches Haus), am Altstadtmarkt (Rüninger Zolleinnehmerhaus) und vor allem am schönsten seiner Art, dem Ritter St. Georg, Alte Knochenhauerstraße 13, läßt sich niedersächsische Fachwerkkunst studieren. Im Unterschied zu den Alemannen sahen die Norddeutschen in der grafischen Struktur der Fassaden, in dem Kontrast zwischen naturdunklen, zuweilen gar mit Ochsenblut gefärbten Balken und dem kalkhellen Gefache eine Herausforderung für farbige und plastische Verzierung. Auf Kettenfries und Diamantband (einander an der Spitze berührende Ellipsen) folgte figürliche Opulenz, die in der Spätgotik des 16. Jahrhunderts ihren Höhepunkt erreichte und vom Bürgerstolz kündete. Konsolen, fromme und unfromme Szenen, Masken, Neidköpfe, Fabeltiere, volkstümliche Drolerien und Heilige gibt es zu entdecken. Beispiel: die Darstellung des Geruchssinns. Unter den Allegorien des filigran beschnitzten Huneborstelschen Hauses am Burgplatz ist eine Frau, die am Nachttopf schnüffelt - Spaß in Holz.

Das Magniviertel kuschelt sich als behagliches Altstadtquartier mit relativ geschlossenen Fachwerk-Häuserzeilen in den Schatten eines mehrstöckigen Kaufhauses mit Fassade des berühmten Architekten Eiermann. Es hat wie ein funktionierendes Dorf einen Mittelpunkt, den Sandplatz an der St. Magnikirche. Hier gibt es Kunsthandwerkmärkte, spannende Duelle der Boule-Spieler, Bänke zum Ausruhen und Kneipen - wie Perlen auf der Schnur. Kaum erwachen die lauen Lüfte, wuchten Wirte hohe Holzstehtische aufs Kopfsteinpflaster. Wenn kein Durchkommen mehr ist, das Bier in den Tulpen schäumt und die Gasse vom Geplauder widerhallt, dann hat in Braunschweig die Sommersaison begonnen. Neben urigen Gaststätten bietet das Magniviertel Läden mit all den schönen Dingen, die aus Designerhand kommen. Stoffe und Möbel, Küchengerät, Schuhe und Schmuck in ausgefallenen Varianten sind hier zu haben. Und es wohnt sich nachbarschaftlich-gemütlich unter den niedrigen Dächern. Zwar sind die Grundrisse der Zimmer nicht gerade großzügig zu nennen, doch man grüßt sich, man kennt sich, und im Kiosk kann man sogar anschreiben lassen.

Die buckligen kleinen Häuser im Magniviertel bieten auch Raum für Exotik: Piercing, Tätowierungen, Rasta-Zöpfe fertigen Fachleute hier an. Was wohl Heinrich der Löwe dazu gesagt hätte?

The hunch-backed little houses offer all kinds of goods and services from piercing, tattooing, craftsman's and kitchen tools, children's bookstores and high fashion shoe shops. The rich and famous shop here, too.

Wer stöbern will, ist willkommen. In einem alteingesessenen Handwerkerladen wird auch noch die kleinste Holzschraube aus der Schublade gezogen, für stahlblitzendes Küchenwerkzeug gibt es gleich mehrere Anbieter, im Kinderbuchladen geben sich die Stars die Klinke in die Hand, und ultimativ hochmodische Schuhe gibt es ohnehin.

Magni-Kiosk

Zeit für ein Häppchen Stadtgeschichte. Das Viertel rund um St. Magni, wie alle Kirchen in den Traditionsinseln romanisch gegründet und gotisch veredelt, ist eine der beiden ältesten Siedlungen, auf denen die Stadt beruht. Auf dem östlichen ebenso wie auf dem gegenüberliegenden Okerufer am heutigen Kohlmarkt richteten Kaufleute schon im 9. Jahrhundert Stapelplätze für ihre Waren ein. Drumherum keimten Siedlungen und blühten auf. Sie lagen an wichtigen Handelswegen, die sich an der Oker kreuzten. Eine Salzstraße führte von Lüneburg nach Frankfurt, eine wichtige Querverbindung von Flandern in die Handelsstadt Leipzig. Die Oker war schiffbar, über die Weser gelangte man bis ins Meer.

 
Cover Copyright © 1997 by Medien-Verlag Schubert, Hamburg.
Leseprobe aus "Braunschweig - Löwenstadt zwischen Harz und Heide" von Peter Sierigk und Karla Götz. Das 96-seitige Buch (dt./engl., ISBN 3-929229-46-3) mit ca. farbigen 130 Abbildungen ist erhältlich beim Medien-Verlag Schubert, www.medien-verlag.de.

Magniviertel www.magniviertel.de