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Cord Machens: "James Rizzi in Braunschweig - Glücksfall oder Fehlbesetzung"

Exkurs I

Die Moderne: Gemalt, Gebaut und Collagiert

Als Kasimir Malewich 1914 das "Schwarze Quadrat auf weissem Grund" malte, schuf er kein bedeutendes Bild, er verkündete ein Manifest, und es verfehlte sein Ziel nicht: eine Malerei ist eine Malerei, sie will nichts abbilden und vor altem will sie keinen illusionistischen Raum darstellen. Ein halbes Jahrtausend, nachdem die italienische Renaissance die Gesetze der Perspektive entdeckt hatte, wird sie nicht mehr gebraucht. Bei aller Radikalität wurden die abstrakten Bilder bald malerischer, schwebende Elemente und Splitter in dynamischen Zusammenhängen begannen wieder Geschichten zu erzählen: Strukturen ohne Ornament im Raum ohne Perspektive.

1908 hatte Adolf Loos verkündet, Ornament ist Verbrechen und damit war die Architektur abstrakt geworden. Ihr sass nicht die Photographie im Nacken, ihr Antrieb waren nicht zuletzt die neuen Baustoffe. Im Stahlbeton sind die Eigenschaften von Stein und Holz gleichsam kombiniert und zudem kann man ihn plastisch formen, seine Oberfläche aber ist künstlich und abstrakt. Die Betonwand braucht nicht Rustika und Fugenmuster, sie kann Leinwand für abstrakte Kompositionen sein.

Mit der Mauer verschwindet der Raum, die früher fest definierte Grenze verflüchtigt sich in der gläsernen Vorhangfassade und der Innenraum findet zwischen filigranem Tragwerk und schlanken Stützen keinen Halt mehr: die Dynamik des fliessenden Raumes entsteht. Dem Aussenraum kann es nicht anders ergehen, wenn Symmetrie und point de vue verpönt sind, wenn aus Baukörpern mit Sockeln und Risaliten kubische Skulpturen werden und wenn der Block sich in weisse Zeiten auflöst. Das mag auch soziale und hygienische Gründe haben, aber vielleicht kann man mit weissen Zeiten auf dunklem Grund auch einen raffinierteren Lageplan zeichnen, abstrakte Bilder von abstrakter Architektur: Kandinsky hat am Bauhaus gelehrt und Le Corbusier hat gemalt.

Die Abstraktion beherrschte Kunst und Architektur, nicht das volkstümliche Denken. Der radikale Ansatz und die reduzierte Sprache verdrängten nicht die Sehnsucht nach "verständlicher" traditioneller Kunst und in der Architektur werden die neuen Baustoffe die alten nie ganz ersetzen. Vielleicht sollte die abstrakte Bewegung nur den Blick schärfen für Kompositionsweisen, die in aller Kunst versteckt sind, und die nur von vordergründigen Zusammenhängen wie Symmetrie und Struktur verdeckt waren.

Die eigentliche Revolution in der Kunst unseres Jahrhunderts ist uns gar nicht bewusst, weit sie allgegenwärtig ist: es ist die Collage. Mit der Collage werden Elemente in abstrakter Komposition zusammengebracht, die selber nicht abstrakt sind. Es sind Fragmente aus anderen Zusammenhängen, die ihre eigene Geschichte, ihren eigenen Wert haben und zusammen überraschende Assoziationskraft entwickeln. Die Collage ist die Verbindung von historischem Objekt mit Psychoanalyse, von Bild und Literatur, von Fragment und Chiffre. Sie ist sie die komplexeste Kunstform. Sie machte die irritierende Malerei von Max Ernst möglich, den heiteren Trickfilm der Beatles "Yellow Submarine", agit-prop Fotocollagen bis zu Video-Clip und Werbung. Immer aber ist sie vielschichtig, gewagt, witzig oder ergreifend. Daran muss sich die Collage messen lassen, auch wenn sie als Architektur daherkommt wie das Rizzi Haus, das Teil einer städtebaulichen Collage sein will und dessen Fassaden collagierte Bilder sind.

Lagepläne
Städtebau
Block (Huttenstrasse), Zeile (Bebelhof).
Solitär (TU, altes Hochhaus).
Objekt (TU, Hochhaus BS 4).
Collage
Piranesi (Rom 1760).
Picasso (1912), Miro (1930).
J. Stirling (Wiss. Zentrum 1980).

 

Inhalt | Der Schlosspark: Die Stadt nach dem Krieg

 

1999 Richard Borek Stiftung, Theodor-Heuss-Strasse 7, 38090 Braunschweig.
Die 28-seitige Broschüre ist für 2 Mark Schutzgebühr bei Borek am Dom erhältlich.

Magniviertel www.magniviertel.de