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Cord Machens: "James Rizzi in Braunschweig - Glücksfall oder Fehlbesetzung"

Der Schlosspark

Die Gutachten

1993 wurden drei Büros zu Gutachten aufgefordert, in denen der ganze Strassenzug vom Kennedyplatz zum Schlossplatz untersucht werden sollte. Stephan Braunfels aus München wurde favorisiert, insbesondere weil es ihm gelang, alte Zusammenhänge wieder deutlich zu machen. Auf dem Kennedyplatz will er durch Neubebauung den alten dreistrahligen Stadteingang mit Augusttorwall, Auguststrasse und Löwenwall wieder herstellen, und auf dem Schlossplatz schlägt er eine Glasorangerie parallel zum Bohlweg vor, die Höhe und Proportion des verlorenen Schlosses aufgreift. Sie sitzt dort etwas steif und unvermittelt, ein Eindruck, den die am Boden nachgezeichneten Schlossflügel noch verstärken. Auch ist die Verbindung von Schlosspark mit Bohlweg durch grosse Beete und Baumreihen schematisch wie die vorgeschlagenen Bauten an Friesen- und Georg-Eckert-Strasse. Subtilere, phantasievollere und vor altem architektonisch gelungenere Ideen gab es schon einige Jahre vorher.

1976 hatte 0. M. Ungers das beinah legendäre Schlossparkgutachten vorgelegt, Frucht einer grandiosen Fehleinschätzung. Zur Erinnerung: Als das Verfahren zur Nachfolge Prof. Oesterlens schleppend und unbefriedigend vertief, versuchten einige, Ungers ins Gespräch zu bringen. Nach einer beeindruckenden Probevorlesung dachte Stadtbaurat Dr. Konrad Wiese "DER wird's", und ich als erster werde ihn an mich binden. Denselben Mut hatten die Herren der Berufungskommission leider nicht. So bekam die TU einen der bedeutendsten Architekten nicht, die Stadt dafür das Schlossplatzgutachten, das sie, nun wieder ängstlich geworden, in keinem Teil umgesetzt hat.

Ungers hat in diesem Gutachten zum ersten Mal seine typologisch-morphologische Entwurfsmethode exemplarisch vorgestellt. Er beginnt mit einer faszinierenden Beschreibung der Braunschweiger Stadtgestalt und gelangt über die Analyse des Schlossparkgeländes zu einer Fülle von Vorschlägen, von denen einige ziemlich radikal sind (Wie der Abriss alter Architektur zwischen Friesenstrasse und Watt) und andere sehr spielerisch (wie die Böschungsvariante 4 A mit verstreuten Schlossfragmenten).

Auch wenn sie alte geistreich sind und gebaut Sensationen wären, sollen hier nur einige Aspekte des Gutachtens vorgestellt werden. Die Galerie, die "Gebäudeschlange" an der Eckert-Strasse und die "Collage Variante" am Ackerhof, an der Nahtstelle zwischen Park und Magniviertel also, an der das Rizzi Haus entstehen soll. Ungers schlägt eine elegante Glasgalerie in Verlängerung des Ritterbrunnens vor, die die Freiräume des Schlossparks in überraschender Weise neu definiert. Anders als bei Braunfels ist nun der östliche Bereich eher städtisch, mit dem Schlossportikus als Front einer Theateragora. Die Grösse und suggestive Gestalt der Plätze entschärft gleichsam die dominante Eckertstrasse, auch wenn sie in der Variante 1 B von einer langen Gebäudeschlange, die von Horten zur Schule reicht, flankiert wird. Diese konsequente Umsetzung der Strasse als Platzwand in die Dritte Dimension hat den Vorzug der Eindeutigkeit, dazu ist das ausgefranste Magniviertel abgeschirmt und gesichert zugleich.

Beim Ackerhofwettbewerb 1979 gewinnt Hundertmark aus Berlin mit eben dieser Idee. Er darf seine harmlose Gebäudeschlange allerdings nur bis zum Ackerhof bauen, muss sie dafür erhöhen, verbreitern und mit Satteldächern versehen: Durch den unseligen Einfluss der Planungsämter wurde aus der Schlange ein behäbiger tapsiger Lindwurm.

So ist einem wichtigen Vorschlag von Ungers durch Halbierung die Kraft und dem Zweiten, statt durch eine Schlange den Strassenrand mit einer Collage isolierter Einzelobjekte im Sinne der jetzt sichtbaren Bebauung zu komplettieren, das Grundstück genommen worden. Ungers hatte am Ackerhof als städtische Geste und Tor einen Doppelturm vorgeschlagen, neben Horten eine Kammbebauung und nach Norden ein oblonges Hofhaus und ein "Gartenhaus", dessen gebrochenes Atrium die tragische Geschichte des Viertels symbolisiert. Doch mit dem Hundertmark-Bau ist die geschwungene Wand nicht entstanden und die Collage ist nicht mehr möglich, denn Collagen sind gut überlegte Kompositionen mit Fragmenten die ihre Geschichte und Bedeutung haben. Nicht nur Gag, wie wir vom Rizzi Haus vermuten, dessen Fragwürdigkeit vom desolaten Ort profitiert.

Bollmannplan
Bollmannplan (1980)

 

Inhalt | Exkurs II: Die Postmoderne: Objekt, Solitär, Collage

 

1999 Richard Borek Stiftung, Theodor-Heuss-Strasse 7, 38090 Braunschweig.
Die 28-seitige Broschüre ist für 2 Mark Schutzgebühr bei Borek am Dom erhältlich.

Magniviertel www.magniviertel.de